Ralph Grüneberger

 

Wir Zuschauer. Es ist Krieg

Der DAX auf Talfahrt

Wir hier haben Angst

zu frieren

Auf den Bildschirmen

Die bulligen Panzer

Rollen in Kolonnen.

Wir kennen das Knirschen

der Ketten

Wir fragilen Helden!

Die Belagerung

Der Tankstellen, Geldautomaten

Supermärkte.

Flucht folgt auf Fluch.

Wir rufen „Freiheit!“ aus

der Ferne

Die Zunge gespalten

Vom Russisch Brot

Sehen die Vorwärtsverteidigung

Aus Moskau

Aus der Luft, vom Boden, unter

Der hohen See.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein

des Zaren

Er spricht von Sonder-Militäroperation.

Der Angriff auf die Wasserpistolen

In den Kinderzimmern

Der Hochhäuser.

Es dauert nicht lange

Und aus dem besetzten Funkturm

fällt die

Verschossene Worthülse

Vom Kriegsrecht.

Auf beiden Seiten

Leuchtet der rote Knopf.

25./26.02.22

Ralph Grüneberger

Nous, les spectateurs. C’est la guerre

Le DAX est en chute libre

Nous, ici, craignons de prendre froid

Et sur les écrans

Roulent des colonnes

De blindés balaises.

Nous connaissons le grincement

Des chaînes

Nous, héros fragiles !

L’occupation

Des stations-service, des distributeurs de billets,

Des supermarchés.

La débandade après l’algarade.

De loin, nous crions « Liberté ! »

La langue coupée en deux

Par le pain russe

Nous voyons la défense offensive

Venant de Moscou

Du ciel, de la terre,

De sous la haute mer.

L’existence détermine la conscience

Du tsar

Qui parle d’opération militaire spéciale

L’attaque contre les pistolets à eau

Dans les chambres des enfants

Des immeubles

En un rien de temps

La tour de la radio est occupée.

Et tombe, criblé de balles,

Le mot creux de la loi martiale.

De chaque côté

Le bouton rouge est allumé.

übersetzt von Alain Lance

Ralph Grüneberger

We Spectators. It is war

The Stockmarket in descent

We here have fear

     of freezing
On the tv screens

The beefy Tanks
Are rolling in columns

We know the creaking

     of the chains

We fragile heroes!

The siege

Of the gas stations, ATMs

Supermarkets

Escape follows curse.

We call „Freedom! “ from

     afar

The tongue split
By Russian bread

See the forward defense

From Moscow

From the air, from the ground, under

The high sea.

Existence determines the consciousness

     of the Tsar
He speaks of special military operation.
The attack against the water pistols

In the children’s rooms
Of the skyscrapers.

It does not take long
And from the occupied radio tower

     falls the

Empty phrase

Of martial law.

On both sides
Shines the red button.

Translation by Ronald Horwege

Ralph Grüneberger

 

Flucht

 

Die Übertragung greift über

Nicht mehr nur der Bildschirm

Die Bilder bewegen sich

Auf der Straße

Vor dem Bahnhof

Beim Nachbarn

Es sind Frauen, die Kinder

     geschultert

Die Männer bei den Waffen

     zurückgelassen

Froh über jeden Funkkontakt

Sind sie dem Himmel dankbar.

Die Frauen tragen den Krieg

Mit sich, den Geruch der Verbrannten

Die Habe an den Händen

Die Angst um die alten Eltern

Lässt sie nicht los. Die Kinder

Haben den Kindsschlaf

Längst  verloren

Glücklich sind sie über

Das zerzauste Maskottchen

Im Arm und den Gute-Nacht-Gruß

Der Fremden in ihrer Sprache.

19.3.22

 

 

Ralph Grüneberger

 

Die Toten vor Kiew

Der Rauch der Machorka

Hängt noch in der Luft

Russlands Soldaten sind abgezogen

Wer spricht da von Toten

Vor Kiew?

Die Waffenhände gefesselt

Die Einkäufe am Fahrradlenker

liegen

Sie auf den Straßen, Bewohner

von Butscha

Alle zehn Meter eine oder

Einer in der Uniform

Der Zivilisten.

Das sind Schauspieler

Verkündet das russischen Staats

fernsehen

Das Fahrrad sei eines

Aus dem Fundus der Filmfirma.

Die Plünderungen haben die Regie

Assistenten kurz vor dem Dreh

inszeniert

Alle Komparsen haben kräftig

angepackt.

Die Autowracks auf den Straßen

Lieferte der Schrotthandel.

An Zerstörung wurde nicht gespart.

Die verkohlten Häuser

Könnten echter nicht sein.

Russlands Soldaten sind abgezogen

Sie haben Karten gespielt

Und Balalaika.

4./5.4.22

Die Toten vor Kiew

von gesprochen von Nadia Nehring (15) und Moritz Bruhns (13)

<p style=“text-align: left;“>Ralph Grüneberger</p>
<p style=“text-align: left;“>Die Toten vor Kiew

<p style=“text-align: left;“>Dieses Gedicht widme ich Hanna Polonska, die gemeinsam</p>
<p style=“text-align: left;“>mit ihrem Mann im März aus Butscha fliehen wollte.</p>
<p style=“text-align: left;“>Sie wurde sehr schwer verletzt. Ihr Mann überlebte das Gewehrfeuer der russischen Soldaten, das in den PKW des </p><p style=“text-align: left;“>Paares einschlug, nicht.</p>

Ralph Grüneberger

Der Klügere sein

Kann im Krieg einer der Klügere sein

Und die Waffen strecken, während

Sein Haus brennt, seine Frau zittert

Seine Kinder weinen?

„Halte die andere Wange hin!“

Spricht der Amtschrist von der Kanzel.

Weiß er, daß die Bohrer, die

Ins Mauerwerk seiner Kirche getrieben

    werden

Der Sprengung dienen?

Friede! – wir rufen es in vielen Sprachen

Schreiben es an Häuserwände

Halten Plakate hoch, komponieren Lieder

     daraus

Ja, zählen die Etappen der Friedensfahrt.

Was ist mit dem Bruder nebenan

Der Gastgeberin in der Wohnung

     über dir

Was mit dem Nachbarskind, das

     erwachsen

Camouflage trägt?

Wer vergiftet deine Speisen?

Wer schlägt dir die Tür zu?

Wer hält feindselig ein Messer

      in der Hand?

Immer noch willst du

Allem aus dem Weg gehen

Der Klügere sein.

27.3.22

Ralph Grüneberger

Kriegs Geschehen

Das eigene Feld bestellen

Im Mutterland des Kiewer Rus

Ein Wagnis, ist der Boden vermint

Und wird von Bombern verschattet

Aber ein Bauer kann nicht zusehen

Wie die Ernte verdirbt, bekreuzigt sich

Und rüstet seinen Drescher auf.

 

Arbeit im Dorf haben die Bauern

Nicht übrig, sind die Scheuer voll und leer

Tank und Kassen.

Für die Alten kommt die Rente per Post

Und reicht grad für die Rechnungen

Den Tisch deckt der Garten

Und ernährt auch die Jungen

Die froh sind, wenn sie Internet haben

Sie löschen alles Russische

Von ihrer Playlist.

 

Haben sie Netz, kommt auch die Schule

Ins Haus, wo die Familie

In der Küche am Fenster sitzt

Oder vorm Stubenfernseher.

 

Nur die kämpfenden

Männer bleiben Fern

Gespräche.

 

 

1.8.22

Bei meinen Lesungen im Zeitraum März bis Juni 2022 habe ich Hörbücher von mir an Spenderinnen und Spender für die Ukraine-Hilfe verschenkt. So konnte ich neben einer privaten Spende nach den Lesungen bisher 500 € auf das Konto vom

Aktionsbündnis Katastrophenhilfe
Hilfe für Kinder in und aus der Ukraine
IBAN DE65 1004 0060 0100 4006 00
BIC COBADEFFXXX / Commerzbank

überweisen.

Ab sofort sammle ich zu gleichen Teilen auch Spenden für den Verein „Brot und Bücher e.V.“, der in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiern wird.

Bisher konnte ich diesem Verein 100 € aus Spenden und meiner Aufstockung überweisen. Der Verein förderte u.a. den Bau von Schulen für mehr als 4.500 Kinder, ebenso das Bohren von Brunnen und die Einrichtung von Medizinstationen. „Brot und Bücher“ bekämpft Kinderarbeit, die Verbreitung von Malaria und ließ Mädcheninternate und Lehrwerkstätten für Jugendliche bauen.

Brot und Bücher e.V.

Spendenservice

Ich danke allen für die Unterstützung.
Gegen den Hunger, die Armut und die Folgen des Krieges wird sie weiterhin notwendig sein.